Dienstag, 22. Mai 2012

Un des 40 jours avec Estelle

Foto (c) privat
Hier kommt ein weiterer Blogeintrag, der meinen Alltag beschreiben soll. Dieses Mal möchte ich zeigen wie ungefähr die Zusammenarbeit zwischen Estelle und mir aussieht.

Es ist 8 Uhr früh am Morgen und die Kirchenglocken läuten in Beaucourt. Ein Tag Anfang Mai 2012. Ich betrete das "Maison de retraite Léon Belot" und begrüße Philo mit einem French Kiss, einem Wangenkuss links rechts. Mme B., Mme B., Mlle S. und auch Mme V. sitzen schon am Tisch im Eingangsbereich und warten auf ihr Frühstück. Per Wangenkuss begrüße ich die vier Damen und frage wie es ihnen heute geht. Danach hole ich mir eine Schere aus dem Animationsschrank und schließe die Schranktür wieder ab. Meiner Jacke entledigt, stelle ich einige Stühle im Animationsraum von den Tischen und gehe direkt in die Küche.

Dort bereiten Valerie und Florence, zwei Krankenpflegerinnen, gerade das Frühstück vor. Florence, die relativ neu bei uns und eher ruhig ist, und ich bilden heute ein Team im ersten Stock. Nachdem die Baguettes geschnitten, die Milch erwärmt, der Kaffee gekocht und die Frühstückswagen auf ihre Vollständigkeit und Sauberkeit überprüft worden sind, kann es gegen 8:30 Uhr los gehen.
Florence ist noch nicht an das Servieren gewöhnt, deshalb bin ich diejenige, die etwas schneller arbeitet. Seit langem weiß ich auswendig, welcher der 60+ Altenheimbewohner was frühstückt und muss nicht mehr auf die Zettel gucken. In der Regel bin ich zwischen 9:00 Uhr und 9:15 Uhr mit dem Frühstückservieren fertig und muss anschließend den Frühstückswagen aufräumen. 

9:30 Uhr: Die Animation kann beginnen, vorher stelle ich noch die anderen Stühle im Eingangsbereich von den Tischen. Estelle ist noch nicht da, aber eine Ehrenamtliche namens Virginie soll kommen. Leider weiß ich nicht wie diese aussieht, sondern nur dass sie ein "Atelier Créatif" macht. Während meine Schützlinge und ich also auf Virginie warten, kommt Estelle. "Salut, ca va?", fragen wir uns. Küsschen links, Küsschen rechts. Kurz darauf ist Estelle im Keller verschwunden, um etwas zu suchen. "Falls Virginie kommt, sag mir bescheid." Alles klar! Mittlerweile habe ich schon alle Materialien heran geschafft, die die Ehrenamtliche für ihr Atelier braucht. Es ist 10:15 Uhr und Mme B. sagt mir, dass es schon ziemlich spät ist und Virginie am vergangenen Freitag viel früher gekommen ist. Um wenigstens etwas Sinnvolles zu machen, bin ich kurz davor selbst mit meinen Damen anzufangen zu Malen. In dem Moment kommt Estelle aus dem Keller und sagt mir, dass Virginie heute doch nicht kommt. "Sie hat keine Zeit. So ist das eben mit Ehrenamtlichen.", meint Estelle. Super. Nachdem ich den Animationsraum wieder aufgeräumt habe, bittet mich Estelle um Hilfe, die gerade einen Schrank auszuräumen scheint. Sie sucht ein paar Bücher, die sie zur Bibliothek zurück bringen muss. In dem Schrank werden wir nach ein paar Minuten nicht fündig, trotzdem fehlen Estelle noch zwei Bücher. Im Keller befindet sich ein großes Regal voller Bücher! Letztlich werden Estelle und ich auch dort nicht fündig. "Tant pis.", resigniert meine Kollegin. "Egal."

Um 11:30 Uhr sind alle Altenheimbewohner, die in einem Rollstuhl sitzen, in den Eingangsbereich gebracht worden und warten darauf, dass sich der Essensaal öffnet. Estelle sitzt vor dem Computerbildschirm und liest E-Mails. Für den administravtiven Kram ist sie verantwortlich. Plötzlich fällt ihr ein, dass sie noch gar nicht auf die Einladung zum "Tournoi Sportif 2012" geantwortet hat. Die Frist ist eigentlich schon längst abgelaufen.

11:55 Uhr: Zeit mir mein Mittagessen zu suchen. Ich gehe also in die Küche. Dort bereitet gerade eine Aushilfe vom "Maison Blanche" mein Tablett vor. Wir begrüßen uns mit "Salut" als auch Kevin, der Koch, von draußen kommt und mich ebenfalls begrüßt. Küsschen links. Küsschen rechts. Kurz darauf sitze ich im Personalraum im ersten Stock. Auf meinem Tablett befinden sich ein Joghurt, zwei Scheiben Baguette und ein Teller mit paniertem Fisch und zwei Brokoli-Stücke. Die zwei Kartoffeln, die im Tages-Menü markiert waren, sind für mich wohl nicht mehr übrig. Dieses Mal hat Philo keine Zeit mein heutiges Mittagessen zu kommentieren, weil ihre Pause zuende ist und sie weiter Zimmer putzen muss. Auch meine anderen Kolleginnen waschen ihr Geschirr ab und gehen. Dafür, dass ich nun ein paar Minuten früher esse als noch vor ein paar Monaten und deshalb früher zuhause bin, esse ich jetzt fast ganz allein. Mein Teller ist fast aufgegessen als Leatitia, Morgane und Donuta ihre Mittagspause beginnen.

12:15 Uhr: In unserem Haus nahe des "Maison Blanche" beschäftige ich mich in meiner Pause mit dem Füttern von Ganache, Der Wäsche oder dem Geschirr. Ich schreibe Tagebuch oder tue sonst dergleichen. Oder ich setze mich noch für ein paar Minuten auf unsere sonnige Terrasse.

14:00 Uhr: Ich betrete das "Maison Belot" und es dufet herrlich nach Crêpes. Es stehen Pfannkuchen auf dem Animationsplan und Estelle hat schon mal angefangen, um rechtzeitig einen Snack zum Café für die 1. und 2. Etage zu haben. Ich begrüße sie. Heute ist die Stimmung unter den Altenheimbewohnern nicht ganz so schläfrig wie normalerweise um diese Uhrzeit. Der Fernseher läuft und ich bin froh, dass er läuft. Die Amtseinführung von Francois Hollande aus Paris wird live übertragen. Schnell baue ich die zweite Crêpes-Maschine im Animationsraum auf, hole mir Madame B. und Mlle S., Estelle gibt mir den vorbereiteten Teig und es kann losgehen. Ich liebe es Crêpes mit dieser Raclette-ähnlichen Maschine zu machen! Es dauert nicht lange, schon ist eine Art Wettbewerb zwischen Estelle und mir mit meinen zwei Damen entbrannt. "Ich habe schon 26 Pfannkuchen!", ruft Estelle durch die offne Tür. "Achtzehn!", antworte ich. Wenn man früher anfängt, ist es nicht verwunderlich, mehr Crêpes zu haben. Währenddessen geht draußen ein Gewitter mit Hagelkörner herunter und kurz darauf scheint die Sonne wieder zum Fenster herein. Toll, dass das Wetter besser geworden ist. Die kleinen Pfützen unterhalb der Rollstühle neben mir bleiben trotzdem. Djamel, der Hausmeister, bringt mir ein paar alten T-shirts, um die Rutschgefahr zu beseitigen. Immer wieder mein Blick vom Pfannkuchen zum Fernseher. Anscheinend bin ich die Einzige, die sich für die prachtvollen, farbigen Bilder aus Paris interessiert. Der französische Präsident wird gerade vom Regen ziemlich nass. Das Wetter ist dort also auch nicht besser. Zeitweise habe ich das Gefühl, mein Top könnte am Ende dieses Nachmittages die nächstgrößte Größe erreicht haben. Madame B., die neben mir im Rollstuhl sitzt, zieht fast pausenlos daran. Ich kann bitten und ihre Hand von meinem Hintern so oft lösen wie ich möchte - aufhören? Nicht doch. Derweil wechseln sich meine Damen beim Helfen ab, das klappt ganz gut. Nebenbei gebe ich noch Acht auf Monsieur D., der immer wieder von seinem Stuhl aufsteht und davon spazieren möchte. Er begibt sich unwissend und freiwillig in die Gefahr zu stürzen. Mehrmals muss ich ihn wieder "einfangen", um ein paar MInuten später wieder meine Pfannkuchen und Damen aus den Augen zu lassen.

Gegen 16 Uhr stehe ich immer noch an meiner Maschine. Estelle hat unterdessen schon mit zwei Krankenschwestern begonnen, Kaffee und Crêpes an die Altenheimbewohner zu verteilen. Nachdem ich später die Kleckereien von Marmelade und Zucker sowie das dreckige Geschirr beseitigt habe, kann ich mich mit Estelle in der Küche dem Säubern der Crêpes-Maschinen widmen. Madame B., die mir tatkräftig geholfen hat, trägt einen dünnen Verband am rechten Unterarm. Die Arme ist kurz an die heiße Herdplatte gekommen als ich mich einmal um Monsieur D. gekümmert habe. Von ihrem Missgeschick hat sich mir nichts gesagt, trotzdem tut sie mir ein wenig leid. Wer letztendlich den Crêpes-Wettbewerb gewonnen hat - Estelle oder ich - weiß niemand so genau. Damit geht auch der 6. Mai nachmittags für mich zuende.


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